Skip to content

1779: Toleranz in der Aufklärung – Die “Gartenmoschee” im Schwetzinger Schlosspark

Architektur ist Ausdruck ihrer Zeit. Die Art wie Architektur das Verhältnis der Deutschen Kultur zum Orient reflektiert, kann uns daher viel über die Entstehungszeit und die Bedeutung orientalischer Einflüsse in dieser Zeit verraten. 

Schon während des großen Türkenkrieges von 1683 – 1699 setzte eine regelrechte Türkenmode (Turquoiserie) ein. Diese Mode wandelte sich von einer Methode der “Angstbewältigung” während des Krieges, nach dem Sieg über die Osmanen zum Ausdruck weltlicher Macht im Absolutismus. Der Kaffee und die Präsenz osmanischer Gesandter trug die Türkenmode schließlich in das Bürgertum.  

Ende des 18. Jahrhunderts treten wir in eine neue Phase ein. Die Aufklärung erklärt die Vernunft zur einzigen Richtschnur menschlichen Handelns und für eine kurze Phase stehen alle Formen menschlicher Kultur unabhängig ihrer regionalen oder historischen Herkunft fast gleichberechtigt nebeneinander und werden allein auf ihren Beitrag in der Weiter-Entwicklung der Menschheit hin untersucht. 

Hierbei kam es nicht auf eine korrekte Wiedergabe einer anderen Weltanschauung an, sondern auf eine gemeinsame Idee. Historische oder regionale Entwicklungen eines Bauwerks spielten eine untergeordnete Rolle. Verschiedene Stile wurden daher gemischt, zitiert und gleichberechtigt nebeneinandergestellt.  

Eines der eindrücklichsten Dokumente dieses Zeitgeists ist der Schwetzinger Schlosspark. 

Hier stehen Gebäude mit Bezug zur Antike (Apollotempel, Merkurtempel) neben einer sogenannten “Gartenmoschee”.  

 

Die “Gartenmoschee” (auch “Rote Moschee”) wurde von 1779 – 1795 von dem lothringer Gartenarchitekten Nicolas Pigage (1723 – 1796) erbaut und ist das letzte und größte Gebäude des Schlossparks, quasi der “krönende Abschluss”. Sie ist konzipiert als “Tempel der Weisheit”. 

Auftraggeber des Schwetzinger Schlossparks war Carl Theodor von der Pfalz, der 1777 die bayrische Kurwürde erbt. Für seinem Neffen wurde im Park des Nymphenburger Schlosses bei München ebenfalls ein orientalisches Gebäude errichtet: Der Nymphenburger Köschk

Durch seine Minarette, Halbmonde und Inschriften in deutscher und (fehlerhafter) arabischer Sprache erinnert der Bau an eine Moschee, es fehlen aber wesentliche Elemente (eine Gebetsnische, eine Kanzel etc.) eines muslimischen Gotteshauses. Keine Moschee also, sondern, “eine phantasievoll ausgeschmückte Übertragung der Idee vom Orient in der mitteleuropäischen Kunstsprache des 18. Jahrhunderts”. 

Die Zitate aus dem Orient werden ergänzt, um eine barocke Kuppel, “gotische” Spitzbögen, Kreuzgänge und Pavillons. Der vorherrschende Stil ist der Rokkoko, er vereint quasi Einflüsse aus dem Absolutismus mit der Aufklärung.  

Zentrales Thema ist der Geist der Toleranz. Es geht um “Läuterung und Verbesserung des Menschen, Vertrauen in die Vernunft und den Fortschritt der Zivilisation”. 

Hierauf verweisen auch die Inschriften. Es finden sich arabische Inschriften, wie “Allah”, “La illaha illa Allah”, oder die Sure al Ihlas, meist jedoch Sinnsprüche in Deutsch und Arabisch, die recht allgemeiner Natur sind: 

Der Islam wird hier also vor allem als Quelle “orientalischer Weisheit” gesehen, nicht als Religion. Dies aber durchaus positiv und ohne Wertung. 

Die Annäherung an das orientalische Wissen wird im Laufe des 19. Jahrhunderts kenntnisreicher, allerdings auch wertender, sowohl in positiver Hinsicht wie bei Goethe, wie auch in Negativer. Aber hiervon an anderer Stelle. 

Last but not least machte die “Moschee” in späteren Zeiten ihrem Namen doch noch alle Ehre. Obwohl sie nie als sakrales Gebäude geplant war, scheint sie dennoch bei einigen Gelegenheiten auch als Gebetsraum genutzt worden sein. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sollen französische Kriegsgefangene die Moschee genutzt haben und 1957 mietete der Deutsche Imam Abdullah Norbert Wisser, Vorsitzender der regionalen “Islamischen Gemeinde Deutschlands e.V.”, mit Unterstützung des Bundesverbandes “Deutsche Muslimliga e.V.” die “Gartenmoschee” als repräsentative Kulisse bei besonderen Gebeten (an Festtagen oder anlässlich von hohem Besuch, wie dem Saudischen König).

Zum Weiterlesen: 

Valentin Hammerschmidt, Ein Gewürz des modernen Lebens – Orientalisierende Architektur in Sachsen und ihr Kontext, (Ringvorlesung „Islamische Kunst in Europa, in Deutschland und in Dresden“, 02.07.15)

Michael Hesse, Monumente für Arkadien – Gestalt und Ikonografie der Schwetzinger Parkbauten, in: Petra Martin (Hrsg.), Monumente im Garten – der Garten als Monument: internationales Symposium vom 31. März bis 2. April 2011, in Schwetzingen, Stuttgart 2012, S. 93 – 102 

Eeva Ruoff, Türkische Monumente in europäischen Landschaftsgärten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in: Petra Martin (Hrsg.), Monumente im Garten – der Garten als Monument: internationales Symposium vom 31. März bis 2. April 2011, in Schwetzingen, Stuttgart 2012, S. 185 – 294 

Zenkner, Oswald: Schlossgarten-Führer Schwetzingen. 24. überarb. Auflage. Schwetzingen 1984 

Bildnachweis: 

Fotografien aus den Schwetzinger Schlossgarten. Fotos: Michael Pfaff SmF e.V. (2022)