Im Park des Schlosses Nymphenburg in München entdeckt man ein Gartenhaus, dass bei genauerem Hinsehen an ein orientalisches Gebäude erinnert.
Nähert man sich dem “Prinzengarten” vom Schloss aus sieht man zunächst die als “Hexenhäuschen” bezeichnete Rückfront des Gebäudes.
Das Gebäude ist aus Holz und auf der hinteren Seite hat man eine Mauer gemalt, von der der Putz abbröckelt. So hat man sich vielleicht das verwunschene Hexenhäuschen im Wald aus den Märchen vorgestellt. Der “Prinzengarten” war quasi der Spielplatz der Kinder des Kurfürsten. Das Gebäude wurde 1799 für den damals 12-jährigen Prinzen Ludwig errichtet.
Der “Garten” ist von Bäumen umgeben, eingezäunt, hat größere Rasenflächen und eine künstliche Felsenquelle sowie einen kleinen künstlich angelegten Bach.
Erst wenn man den Garten betritt, sieht man den größeren Teil des “Gartensalettl” (Gartenhäuschen), ein achteckiges Gebäude mit einer Kuppel, auf der eine mit einem goldenen Halbmond gekrönte Kugel thront.
Es handelt sich also weniger um ein Hexenhäuschen, sondern um einen orientalischen Köschk.
Köschk ist die türkische Bezeichnung für ein Gartenhäuschen, die man auch in den Palästen des Orients findet. Im Deutschen finden wir dieses Wort wieder als Kiosk.
Wie kommt nun ein orientalisches Gebäude in den Park eines bayerischen Schlosses.?
Zunächst kann man feststellen, dass das Bayerische Fürstenhaus schon lange mit dem Orient zu tun hatte. Das Schloss Nymphenburg wurde erbaut anlässlich der Geburt des Thronfolgers Max Emanuel, der ab 1679 als Maximilian II. Kurfürst von Bayern wird. Maximilian erwirb sich militärischen Ruhm im “großen Türkenkrieg” und erhält (aufgrund seiner blauen Uniform) von den Osmanen den Ehrentitel “Mavi Kral” (der blaue König).
Er bringt auch Kriegsgefangene mit nach München. Rund 840 “Türken” leben zwischen 1686 und 1699 in München. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von über 8 %!
Türken arbeiten als Bauarbeiter, zum Beispiel für sein Projekt das Stadtschloss mit dem Schloss Nymphenburg über einen Kanal zu verbinden. Sie bereichern das Stadtbild als Sänftenträger. Ein großer Teil dieser Kriegsgefangenen kehrt nach dem Friedenschluss 1699 ins Osmanische Reich zurück. Ein Teil bleibt jedoch und ist teilweise sogar sehr erfolgreich.
So wird 1721 mit dem “Cafe zum Türken” im Stadtzentrum eines der ersten Kaffeehäuser von einem gebürtigen Türken eröffnet. Der auf den Namen Josef Ferdinand Schönwein getaufte Türke lebte von 1689 bis zu seinem Tod 1723 in München, heiratete eine Deutsche und kam zu beträchtlichem Wohlstand.
Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts befinden wir uns in der Zeit des Absolutismus. Prunkvolle Kirchen und Paläste entstehen. Die Herrscherhäuser Europas befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer weltlichen Macht.
Nach dem Sieg über die Türken setzt eine “Türkenmode” ein. Man schmückt sich mit den Schätzen des Orients, hält höfische Feiern im Stile des Orients mit orientalischer Kleidung ab, orientalische Instrumente halten Einzug in die europäische Musik, man trinkt Kaffee und beginnt den Orient kennen zu lernen.
Die absolutistischen Herrscher sehen sich als die neuen Sultane und demonstrieren dies auch nach außen. Als der Bayerische Kurfürst ein Gebäude für seinen Sohn plant, liegt es daher nahe, ein Gebäude aus einem orientalischen Palast für den zukünftigen Herrscher zum Vorbild zu nehmen.
Ironischer Weise kommt die Hoffnung auf absolute Macht eines Wittlesbachers etwas zu spät. Spätestens seit der Französischen Revolution 1789 ist die Zeit des Absolutismus vorbei.
Es gelingt den Wittelsbachern zwar 1806 die Königswürde zu erlangen, als der Kronprinz aber als Ludwig I. 1825 den bayerischen Königsthron besteigt, muss er sich bald um den Ausgleich mit dem aufstrebenden Bürgertum bemühen.
Die Zeit orientalischer Prunkentfaltung von Fürstenhäusern ist vorbei. Der kulturelle Austausch mit dem Orient steht jedoch erst am Anfang.