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1915: Das Deutsche Kaiserreich errichtet die erste Moschee

Die erste Moschee im Gebiet des heutigen Deutschlands wurde vom deutschen Staat gebaut. Sie war eine von ursprünglich drei geplanten Moscheen, die für Kriegsgefangene Muslime in Lagern des brandenburgischen Zossen geplant waren.  

Im speziell für Muslime errichteten „Halbmondlager” waren vor allem Gefangene aus dem französischen (vor allem Nordafrikaner, aber auch West- und Zentralafrikaner) und englischen Heer (vor allem aus Indien) untergebracht. Im benachbarten „Weinberglager” waren es Muslime aus dem russischen Heer (vor allem Tataren und Kaukasier).  

Errichtet wurde die Moschee im Halbmondlager. Im Weinberglager errichtete man lediglich einen Gebetsplatz im Freien mit eigenem kleinem Minarett. 

Die Moschee hatte eine Kuppel mit einem Durchmesser von 12m, ein 25m hohes Minarett und einen Gebetsraum, der Platz für 400 Gläubige bot. Im Kuppelraum befanden sich eine Gebetsnische (Mihrab) und eine Kanzel (Minbar). Angeschlossen war ein Raum für rituelle Totenwaschungen und der Raum des Imams, in dem er auch Sprechstunden anbot. Außen waren überdachte Plätze für die Gebetswaschung eingerichtet und in der Mitte des Vorhofs ein Brunnen mit fließendem Wasser. 

Die Moschee war komplett aus Holz gebaut. Zur farbigen Ausgestaltung heißt es im „Zentralblatt der Bauverwaltung”:  

Die senkrecht aufgehenden Außenflächen des Kuppelbaues sind elfenbeinfarbig, die zurückliegenden Flächen in roten und grauen Streifen zur Ausführung gekommen. Der Innenanstrich der eigentlichen Kuppelfläche ist elfenbeinfarbig, die aufgelegten Rippen sind gelb, die Felder mit grünen Linien eingefaßt. Die die Kuppel tragenden Säulenstiele sind durch einfache Bemalung verziert, die Bogenfelder in Höhe des Seitenschiffpultdaches sind mit künstlerisch umrahmten Koransprüchen in gelblicher Tönung auf grünem Grunde farbig hervorgehoben. 

Finanziert wurde der Moscheebau mit einem Budget von 45.000 Reichsmark. Allerdings nicht, wie später kolportiert, aus der „Schatulle des Kaisers”, sondern aus dem Etat der Heeresleitung. 

Der Moscheebau war Teil der Strategie des Deutschen Reiches, die muslimische Bevölkerung in der Welt an seine Seite zu ziehen. Muslime sollten dazu bewegt werden, auf Seiten des Deutschen Reiches und den verbündeten Osmanen zu kämpfen. Daher erhielten muslimische Gefangene eine Sonderbehandlung. Mittels religiöser Propaganda, der Einhaltung muslimischer Speisevorschriften und dem Feiern muslimischer Feste wollte man die Herzen der Gefangenen gewinnen. 

Die Moschee wurde nach nur fünfwöchiger Bauzeit am 13. Juli 1915 eröffnet, am ersten Tag des Fastenmonats Ramadan. Sie wurde ein beliebtes Motiv in der Kriegspropaganda. Gerne hob man hervor, dass die Deutschen die ersten gewesen seien, die Muslimen ein Gotteshaus errichteten, was die Freundschaft von Deutschen und Muslimen beweise. Die Errichtung der großen Moschee in Paris erfolgte erst 1926 als Dank für den Einsatz der Muslime im ersten Weltkrieg. In England gab es bereits eine 1889 vom Sultan von Bhopal finanzierte Moschee, um deren Leitung es aber lange Streit gab, bis 1913 die Moschee eine offizielle Anerkennung als Gotteshaus erhielt und zum Zentrum des Islam in England avancierte. 

In der Moschee im Halbmondlager wurden alle fünf täglichen Gebete verrichtet und ebenso der freitägliche Gottesdienst, dessen Predigt meist auch anschließend publiziert wurde. 

Die Moschee war auch der zentrale Ort der Festtagsgebete von 1915 bis 1918. Zu diesen Festen erschienen auch zahlreiche prominente Gäste. Mitarbeiter der Nachrichtenstelle für den Orient, deutsche Orientalisten, Generäle und Adlige, die Botschafter Persiens und des Osmanischen Reiches, der osmanische Außenminister und 1918 sogar der osmanische Großwesir Talat Pascha. 

Predigten an Festtagen hielten unter anderem Alimcan Idris (1887 – 1959), der im zweiten Weltkrieg und in den 50er Jahren in Deutschland noch eine bedeutende Rolle spielen wird, und der Imam der osmanischen Botschaft Hafiz Sükrü (1871 – 1924), Verwalter des muslimischen Friedhofs in Berlin und eine der zentralen Figuren der Berliner Muslime dieser Zeit. 

Neben den formellen Feierlichkeiten und den Gebeten, an denen bis zu 11.000 Gläubige teilnahmen, bedeuteten die muslimischen Feiertage auch Geschenke für die Gefangenen. Es wurden (vom osmanischen Sultan gespendete) Opfertiere (Schafe und Ochsen) nach muslimischem Ritus geschlachtet, es gab Extrarationen Kaffee, Zigaretten und Süßigkeiten. Es wurden für die Gefangenen Musik, Tanz, Akrobatik und dergleichen vorgeführt, um ihnen angeblich Gewohntes aus ihren Heimatländern zu bieten. 

Die Bevorzugung der muslimischen Gefangenen, vor allem im Halbmondlager, bestand auch darin, dass sie in kleinerem Umfang zu Arbeitsdiensten außerhalb des Lagers herangezogen wurden als andere Gefangene. Vereinzelt durften sie Ausflüge nach Berlin unternehmen. Es gab Fortbildungsangebote, beispielsweise Lehrwerkstätten für Schlosser und Fortbildungen in Land- und Forstwirtschaft. Einigen Freiwilligen wurde Schulunterricht angeboten, es gab Deutschkurse sowie Unterricht in Tatarisch, Arabisch und Russisch. Unterrichtet wurden Lesen, Schreiben, Rechnen, Geografie, Geschichte und Religion. Es gab Bibliotheken in beiden Lagern und ein Kulturprogramm mit Lagerkapellen, Tanz- und Theatergruppen. 

In der (zensierten) Korrespondenz finden sich daher Berichte von Gefangenen, die sich sehr lobend äußern und sich “mehr als Gast, denn als Gefangener” fühlen. Solche Briefe wurden natürlich auch gerne in der Propaganda zitiert und veröffentlicht. 

Trotz dieser Bemühungen muslimische Gefangene besser zu behandeln, gab es nur wenige, die sich tatsächlich überzeugen ließen, gegen ihre Kolonialmächte in den Krieg zu ziehen. 

Der reale Alltag in den Lagern dürfte auch wesentlich härter gewesen sein als die offizielle Darstellung der Staatspropaganda. Wenige Briefe, die es an der Zensur vorbei schafften, berichten von Mangelernährung. Auch die harte körperliche Arbeit und die harten Winter in schlecht geheizten Räumen setzten den Gefangenen zu.  

Anfängliche Epidemien (Cholera) bekam man zwar mit ärztlicher Betreuung und Impfungen in den Griff, aber Tuberkulose und andere Lungenerkrankungen führten zu einer hohen Sterblichkeit. Die Sterblichkeit lag bei den russischen Gefangenen bei 0,8%, bei Arabern bei 1,2 %, bei den Indern aber bei bis zu 16,8%. Bis Kriegsende wurden daher rund 3.000 Indische und Afrikanische Gefangene in „klimatisch zuträglichere Lager im Süden” vor allem nach Rumänien gebracht. 

Wer im Lager verstarb, wurde auf dem nahegelegenen muslimischen Gräberfeld beerdigt. Quellen sprechen von bis zu 2.400 Gräbern. Die Hauptgräberliste erfasst namentlich: 412 Russen, unter ihnen viele muslimische Tataren, 262 Nord- und Westafrikaner, vermutlich größtenteils Muslime, 205 Inder, 86 Franzosen, zwei Belgier, einen Engländer und einen Türken. 

Nach Ende des Krieges kehrten die meisten Insassen des Halbmondlagers zurück in ihre Heimat. Aufgrund der russischen Revolution traf dies für die Insassen des Weinberglagers nicht zu. Die meisten mussten bis 1921 warten, bevor sie in die Heimat zurückkehren konnten. Etwa 90 Tataren blieben jedoch im Lager und unterhielten die Moschee weiterhin. 

Gemeinsam mit diesen Tataren übernahm der „Verein zur Unterstützung russisch-muslimischer Studenten” unter der Leitung von Alimcan Idris und Hafiz Sükrü die Pflege der Moschee. 

Bis 1924 werden regelmäßige Gottesdienste abgehalten. Vor allem die Festtagsgebete zogen zahlreiche Besucher, vor allem Studenten aus Berlin, an. 

Als eines der letzten Zeugnisse der Aktivitäten des Vereins findet sich ein Bericht von Alimcan Idris, der berichtet, dass die meisten Mitglieder aufgrund von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not in die Heimat zurückgekehrt seien und die Gemeinde aufgelöst wurde. Die letzten Schulden des Vereins in Höhe von 148,15 Goldmark wurden vom Reichsfinanzministerium übernommen.  

Anschließend verfiel die Moschee und wurde 1930 abgerissen. Ihre Rolle übernahm die Moschee in Berlin Wilmersdorf, deren Grundstein 1924 gelegt wurde. 

 Zum Weiterlesen: 

Gerhard Höpp: Die Moschee in Wünsdorf. In: Die Mark Brandenburg. Bd. 13, 1996, S. 32–35. 

Gerhard Höpp: Muslime in der Mark. Als Kriegsgefangene und internierte in Wünsdorf und Zossen, 1917–1924.Berlin: Druckerei Weinert, 1997. 

Torsten Dressler et al.: Halbmond über Wünsdorf. Moschee im Kriegsgefangenenlager 1915. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, 30. Jahrgang 2017, S. 125–136. 

Martin Gussone: Die Moschee im Wünsdorfer „Halbmondlager“. Zwischen Ğihād-Propaganda und Orientalismus.In: Beiträge zur islamischen Kunst und Archäologie, Jahrgang 2010, Heft 2, S. 204–231. 

Martin Gussone: Die Konstruktion der Moschee im Wünsdorfer Halbmondlager. In: Gesellschaft für Bautechnikgeschichte (Hrsg.): „Mit den wohlfeilsten Mitteln dauerhaft, feuersicher und bequem“. Sparsamkeit als Prinzip, Rationalität als Weltsicht? (= Schriftenreihe der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte, Band 2.) Thelem, Dresden 2019,  S. 335–338. 

Bildnachweis:

Moschee im Kriegsgefangenenlager Zossen

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