1880 bricht der Maler Gustav Bauernfeind (1848 – 1904) zu seiner ersten Reise in den Orient auf. Mehr als 13 Jahre seines Lebens verbringt er im Orient. Vor allem in Palästina, aber auch im heutigen Libanon und in Syrien.
Seine Bilder bringen den Orient in seiner ganzen Farbenpracht nach Europa. Anders als die tristen Schwarz-Weiß Photographien, die bereits im Umlauf waren, gelingt es seinen Gemälden und Aquarellen ein stimmungsvolles differenziertes Bild des Orients dieser Zeit zu vermitteln.
Während der Maler zu Lebzeiten immer wieder um Anerkennung ringen musste und wenig Talent zur Vermarktung seiner Kunst zeigte, so dass er immer wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, erzielen seine Bilder heute auf Versteigerungen Millionenbeträge.
Er gilt daher heute als der bedeutendste deutsche Orientmaler.
Als eifriger Tagebuch- und Briefeschreiber ist neben seiner Kunst auch seine Biographie eine interessante Quelle, um das Verhältnis des jungen Deutschen Reiches zum Orient besser zu verstehen. Den Erhalt dieser Quelle haben wir vor allem engagierten Heimatforschern seiner Heimatstadt Sulz am Neckar, namentlich Richard Weinzierl und Hugo Schmid, zu verdanken.
Ein aus heutiger Zeit vielleicht etwas überraschender Aspekt ist, dass er bei seinen Reisen auf ein Netzwerk von württembergischen Landsleuten trifft.
Seine erste Orientreise führt ihn zu seiner Schwester Emilie, die seit 1871 in Beirut lebt. Emilie war seit 1869 mit dem Missionar der Basler Mission Wilhelm Staiger verheiratet und hatte 3 Kinder. Sein Schwager ist auch der erste, der ihm wertvolle Hinweise für seine weiteren Reisen gibt, ihm die wichtigsten Sätze auf Arabisch beibringt und mit wertvollen Tipps und Kontakten hilft.
Während seiner Aufenthalte in Palästina gastiert er häufig in Deutschen Siedlungen.
Moment mal! Deutsche Siedlungen in Palästina! Seit 1868 gründete die Württembergische Templerbewegung insgesamt sechs Siedlungen im Heiligen Land. Zwischen 1868 und 1948 lebten bis zu 2.000 vorwiegend aus Württemberg stammende Siedler:innen in Palästina. Sie gründeten Mustersiedlungen auf dem Land, die manchem Kibbuz als Vorbild dienten, trieben Handel und spielten eine große Rolle im Aufbau der Infrastruktur. Insbesondere im aufkommenden Pilgertourismus waren sie aktiv.
In Jaffa wohnt Bauernfeind zeitweise im “Jerusalem Hotel” von Ernst Hardegg (Sohn eines der Gründer der Templerbewegung). 1887 lernt er dessen Cousine Elise Bertsch kennen, die für die Basler Mission tätig war und auf der Durchreise nach Indien ist. 1889, nach der Rückkehr von Elise aus Indien heiratet das Paar in Baden Baden.
Nach 7 Jahren in München beschließt das Paar nach Palästina auszuwandern und zieht 1896 nach Jerusalem. Sie finden ein Haus in der “Deutschen Colonie”.
Die deutschen Siedlungen bilden für Bauernfeind quasi die Basis für seine Reisen. Er kann also schon auf eine gewisse Struktur zurückgreifen. Bei seinen Planungen kann er sogar schon auf einen Baedeker Reiseführer “Syrien und Palästina” zurückgreifen. Trotzdem ist er natürlich einer der ersten Reisenden in diesen Ländern. Von Damaskus berichtet er, dass von den 15.000 Einwohnern nur 40 Europäer sind.
Er war ein Exot und wenn er in Städten unterwegs war, bildeten sich schnell Menschentrauben um seine Staffelei. Auch Behörden und Polizei beobachteten ihn misstrauisch. Er musste daher einen erheblichen Anteil seiner Ausgaben für “Malgebühren” investieren.
Hierin waren enthalten: Kosten (Bestechungsgelder) für Behörden, Bezahlung von Personen, die ihm Modell standen und Bezahlung von Personal, das ihm als Dolmetscher und Reiseführer behilflich war, aber auch um Schaulustige fernzuhalten.
Er nutzt die Fotografie, um Eindrücke festzuhalten und fertigt vor Ort meist nur Skizzen und Aquarelle. Später fügt er diese Skizzen im Atelier zu größeren Gemälden zusammen.
In einigen Fällen platziert er unterschiedliche Personen in den gleichen Hintergrund, wie beispielsweise bei Darstellungen des Eingangs zum Jerusalemer Tempelberg.
Ein weiterer großer Kostenpunkt auf seinen Reisen war die “Orientsammlung”. Er kaufte Teppiche, Kleidung und Dekorationsartikel, die er später in seinem Atelier nutzen konnte, um Modelle auszustatten und Szenen nachzustellen.
Obwohl er bei seinen längeren Aufenthalten stets bemüht ist Häuser anzumieten, um in Ruhe arbeiten zu können, ist sein Lebensstandard durchaus bescheiden.
Die meisten seiner großen Bilder malt er zwischen seinen Reisen im Atelier in München.
Nach seinem Umzug nach Jerusalem ist das Großereignis der Besuch des Deutschen Kaisers Wilhelm II., der erste Besuch eines Deutschen Herrschers im Heiligen Land seit 670 Jahren (seit dem Kreuzzug Friedrich II. 1228). Bauernfeind hat zwar keine Gelegenheit beim Kaiser persönlich vorzusprechen, aber ein Prunkband, der dem Kaiser feierlich von den Repräsentanten der Deutschen Siedler übergeben wird, enthält seine Bilder. Als der Kaiser erfährt von wem diese schönen Bilder waren, gibt er an, Bauernfeind zu kennen.
Nach seinem Tod wird sein Haus in Jerusalem eine touristische Attraktion und Thomas Cook einer der ersten Reiseveranstalter der Welt nimmt die Besichtigung seines Ateliers in sein Programm auf. Elise bemüht sich seinen Nachlass zu vermarkten, stirbt allerdings schon 2 ½ Jahre nach dem Tod ihres Mannes. Ihr Sohn Otto verlässt Palästina, absolviert das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart und wird Arzt. Er stirbt 1974 kinderlos in Oberstdorf. Den künstlerischen Nachlass seines Vaters verkauft er in den 20er Jahren unter Wert.
Bauernfeind gerät für viele Jahre in Vergessenheit, bis er in den 1980er Jahren “wieder entdeckt” wurde. Interessanter Weise entdeckten Sammler aus dem Orient den Maler für sich, so dass seine wertvollsten Gemälde heute im Nahen Osten zu finden sind. Bei einer Auktion des englischen Auktionshauses Sotheby’s 2007 erzielte eines seiner letzten großen Gemälde “Die Klagemauer in Jerusalem” einen Erlös von 4,5 Mio €, 2019 erzielte sein Gemälde “Markt in Jaffa” einen Erlös von 4,18 Mio €.
Vieles gibt es noch zu entdecken über diesen Wanderer zwischen den Kulturen, der das Leben im Orient schätzen gelernt hat. Die Persönlichkeit des Malers, der Deutschen ein Bild vom Orient vermittelt hat, offenbart sich vielleicht in einem seiner letzten Zitate. Seinem damals zehnjährigen Sohn sagt er beim allabendlichen Spaziergang zum Sonnenuntergang: „Die dahinten (er zeigte auf Jerusalem) glauben jeder an seinen Gott und glauben, dass seiner der richtige sei, ich glaube, die Sterne und die Wüste, das ist mehr.”
Bauernfeinds Orientreisen:
- Orientreise April 1880 – Juni 1881
- Orientreise Oktober 1884 – Oktober 1887
- Orientreise Oktober 1888 – Mai 1889
- Umsiedlung nach Palästina Oktober 1896 – Dezember 1904
Zum Weiterlesen:
Richard Weinzierl, Gustav Bauernfeind – Der Orientmaler, 2021
Weiterführende Literatur:
Yaron Perry, German Mission in Abyssinia: Wilhelm Staiger from Baden (1835 – 1904), Hamburg 2008
Die Württembergischen Templer, aus Württembergische Kirchengeschichte online
https://www.wkgo.de/themen/die-wuerttembergischen-templer
Ausflugstipp:
Bauernfeindmuseum, Untere Hauptstraße 5, 72172 Sulz am Neckar
https://www.sulz.de/stadt-wirtschaft/historie/bauernfeind-museum
Bildnachweis:
Titelbild: Straßenszene in Damaskus – Selbstportrait von Gustav Bauernfeind in der Mitte von Schaulustigen
Alle Bilder zu Verfügung gestellt vom Bauernfeind Museum in Sulz am Neckar.