Reiseberichte sind seit der Antike ein beliebtes Medium etwas über andere Regionen und Völker zu erfahren. Da sie jedoch eher zur Unterhaltung der Leser geschrieben wurden als zum “Erkenntnissgewinn”, also um etwas von Anderen zu lernen, wurden diese Berichte häufig gewürzt mit wundersamen und außergewöhnlichen, das oft nur aus “Hörensagen” berichtet wurde, oder schlicht dazu erfunden wurde.
Hinzukam, dass aufgrund von mangelnder Sprachkompetenz und fehlendem Wissen vieles von dem Reisende berichteten mehr über den Reisenden und seine Kultur aussagt als über die “bereiste” Kultur. So finden sich zahlreiche Missverständnisse und Fehlinterpretationen in diesen Texten.
Dies ändert sich in der Zeit der europäischen Aufklärung. Nun beginnt man mit wissenschaftlichen Fragestellungen und Methoden zu versuchen ein objektiveres Bild der bereisten Länder zu zeichnen.
Die erste Expedition, die nach diesen Kriterien beauftragt wurde, ging auf den Göttinger Orientalistik-Professor Johann David Michaelis (1717 – 1791) zurück. Bereits 1753 begann er Fragen zusammenzustellen, die den Wahrheitsgehalt biblischer Erzählungen überprüfen sollten.
Diese Fragen, die auch in Buchform veröffentlicht wurden, sind ein gutes Dokument für das, was man in der damaligen Zeit noch nicht wusste. Sie beschäftigen sich mit Geschichte, Geographie und Sprachwissenschaft und stellen auch den wissenschaftlichen Zusammenhang mit dem damaligen Wissen ausführlich dar.
Mit diesem Fragenkatalog wurde nun ein Team aus Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Forschungsgebieten beauftragt, das am 7. Januar 1761 in Kopenhagen zu einer 6 ½-jährigen Reise aufbrach. Die Reise führte über Istanbul nach Ägypten, dann über den Jemen nach Indien und über Persien, die heutigen Länder Irak, Palästina, Syrien und Türkei zurück nach Dänemark.
Finanziert wurde die Reise vom dänischen König Friedrich V. Die Teilnehmer waren der dänische Philologe und Theologe Frederik Christian von Haven (1727-1763), der schwedische Naturforscher Peter Forskäl (1732-1763), der dänische Arzt Christian Carl Cramer (1732-1763), der deutsche Maler Georg Wilhelm Bauernfeind (1728 – 1763) sowie ein schwedischer Diener namens Berggren.
Nur ein Mitglied dieser “gelehrten Gesellschaft” sollte lebend aus dem Orient zurückkehren, der deutsche Mathematiker und Astronom Carsten Niebuhr (1733 – 1815). Seine Aufgabe war ursprünglich die des Kartographen und Landvermessers, ausgestattet mit den modernsten Instrumenten seiner Zeit.
Sein 5 Jahre nach der Rückkehr veröffentlichter Reisebericht (und zwei später veröffentlichte weitere Bände) ist voll von geographischen, landeskundlichen und historischen Informationen.
Wir verdanken ihm detaillierte Karten, Zeichnungen, Grundrisse und Ansichten von Küsten und Orten, die er bereiste. Die erste lesbare Abschrift ägyptischer Hieroglyphen, eine Kopie der in altpersischer Keilschrift verfassten Inschriften des Kaiserpalastes von Persepolis und die erste exakte Karte des Roten Meeres und des Jemen.
Stationen seiner Reise waren Zypern, Izmir, Istanbul, Alexandria, der Jemen, Indien, Persien, der heutige Irak, das “heilige Land”, das heutige Syrien und die heutige Türkei.
Neben dem eigenen Reisebericht brachte Niebuhr die von seinem “Team” gesammelten botanischen und zoologischen Sammlungen, die Zeichnungen des Malers Bauernfeind und die Manuskripte und Tagebücher seiner Kollegen zurück aus dem Orient.
Er publizierte 1775/76 neben seinem eigenen Reisebericht auch Peter Forskäl’s „Flora Aegyptiaco-Arabica” und „Descriptiones animalium”.
Das gesammelte Material erweiterte wesentlich das Wissen über die Geschichte und Geographie des Orients und beschäftigt Ägyptologen und Archäologen bis heute.
Sein Reisebericht fand aber auch in der gesamten europäischen Öffentlichkeit starkes Interesse. Zu den Verehrern von Niebuhr zählt auch Johann Wolfgang von Goethe, der Niebuhrs Sohn Berthold bat, ihm ein “Blatt” aus der Hand seines Vaters zuzusenden.
Niebuhr nahm 1778 in Meldorf im Dithmarschen eine Stelle als Landschreiber an, wo er bis zu seinem Tod 1815 sein weiteres Leben relativ weltabgeschieden verbrachte.
Zum Weiterlesen:
Carsten Niebuhr, Beschreibung von Arabien aus eigenen Beobachtungen und im Lande selbst gesammelten Nachrichten, Kopenhagen, 1772
Volker Heenes, Carten Niebuhr und seine Reise nach Arabien von 1761-1767, in Reisen in den Orient vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. Hrsg. von der Winkelmann-Gesellschaft, Stendal 2007 S. 49 -57
Ulrich Huebner, Johann David Michaelis und die Arabien-Expedition Carsten Niebuhrs 1761-1767, in: Josef Wiesenhöfer / Stefan Conermann (Hrsg), Stuttgart 2002, S. 363-402
Bildnachweis:
Carsten Niebuhr gezeichnet von Johan Frederik Clemens 1774 (Original in der Royal Danish Library)
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