Seit der Eroberung Istanbuls 1492 erleben wir eine Phase von “Türkenkriegen”, die bis 1699 andauern. In diesen rund 200 Jahren werden auch Gefangene gemacht. Ältester Beleg ist eine “Lösegeldliste” von 1492 die Gefangene erfasst, die gegen Bezahlung ausgetauscht werden sollen.
Einzelne Gefangene kommen auch in Deutsche Gebiete, wie Suleiman Bugalli (1544) oder die Kinder Ali und Isitti (1592).
Zu Tausenden kommen die sogenannten “Beutetürken” jedoch, als sich das Blatt in den Türkenkriegen 1683 vor Wien wendet und große Gebiete des Balkans von der “heiligen Allianz” erobert werden.
Ein Großteil der Beutetürken (man geht von über 50% aus) waren Frauen und Kinder. Wir wollen uns hier zwei Frauenschicksale anschauen, die aus dieser Gruppe herausstechen und besonders erfolgreich waren.
Beide hießen Fatima und beide sind 1686 in Ofen (heutiges Budapest) gefangen genommen worden. Leider werden sie (und andere Frauen gleichen Namens) bei oberflächlicher Recherche häufig verwechselt, bzw. in manchen Quellen zu einer Fatima verschmolzen. Bei genauerem Hinsehen gibt aber doch einige Unterschiede:
Die vielleicht bekannteste “Beutetürkin” ist Maria Aurora Fatima Spiegel (geb. Kahriman). Sie gerät als junges Mädchen in Gefangenschaft, 1686 noch in Ofen getauft und erhält die Vornamen ihrer Patin, der Gräfin Maria Aurora von Königsmarck, in deren Obhut sie auch aufwächst.
1701 fällt sie bei einer Adelsgesellschaft ihrer Schwester in Dresden August dem Starken auf, wird seine offizielle Geliebte und bekommt zwei Kinder. Beine Kinder werden von August als leibliche Kinder akzeptiert und versorgt. Sein Sohn Friedrich August wird Feldmarschall und oberster Befehlshaber des sächsischen Heeres.
Wohl schon bei der Geburt des ersten Kindes verheiratet August Fatima mit seinem Kammerdiener Johann Georg Spiegel. Spiegel erhält den Rang eines Oberstleutnants im Garderegiments und erkennt die Kinder als seine eigenen an.
Finanziell abgesichert bleibt Fatima bis 1706 eine offizielle Mätresse des Königs, spielt aber auch danach noch eine bedeutende Rolle am Hofe.
Sie begleitet ihren Mann auf Reisen und diplomatischen Missionen. Hierbei ist auch belegt, dass sie als Dolmetscherin in Verhandlungen mit den Osmanen tätig war.
Gemeinsam mit ihrem Mann reist sie auch nach Istanbul und erwirbt zahlreiche Schätze, die heute Grundlage der größten Sammlung osmanischer Kunst außerhalb der Türkei, der “Türckischen Cammer” in Dresden, sind.
Diese orientalischen Kostbarkeiten einschließlich einer komplett ausgestatteten Zeltstadt liefern das Ambiente der legendären Prinzenhochzeit von 1719 in Dresden.
1715 stirbt ihr Mann. Sie erwirbt ein Haus in der Rampischen Str. 33 in Dresden, spielt keine große Rolle mehr am Hofe, erhält aber weiterhin Unterstützung.
1724 wird sie vom König nach Warschau gerufen und wird am 19.09.1724 in den Grafenstand erhoben und erhält den Titel Gräfin Rutowska. Hintergrund ist vermutlich die Verheiratung ihrer gemeinsamen Tochter Maria Anna Katharina (nach anderen Quellen Maria Aurora) mit dem polnischen Grafen Bielinski.
Fatima konvertiert vom Protestantismus zum Katholizismus und wendet sich im Alter immer mehr der Religion zu. Anschließend verlieren sich ihre Spuren, belegt ist lediglich, dass sie 1733 nach dem Tod August des Starken eine “Leibrente” von 8.000 Talern erhält.
Die zweite Fatima ist Maria Anna Augusta Fatma Coelistina Gräfin zu Castell-Remilingen. Sie ist bereits 22 Jahre alt, als sie 1686 gefangen genommen wird. Sie ist vornehmer Herkunft, Tochter eines Paschas, nach Gerüchten sogar Enkelin eines Sultans.
Sie gerät zunächst in den “Besitz” des kommandierenden Generals Markgraf von Hermann von Baden, der sie später seinem Neffen Ludwig von Baden (Türkenlouis) weitergibt.
Sie lebt als eine der Mätressen am Hofe, bis sie 1703 “in den Besitz” von Friedrich Magnus von Castell-Remlingen übergeht.
Dieser scheint sie sehr zu lieben, verbringt mehr Zeit mit ihr als mit der eigenen Ehefrau. 1708 kauft er ihr ein eigenes Haus in Augsburg mit eigenen Bediensteten (einschließlich eines türkischen Dienstmädchens).
Ihr Haus wird bekannt als Ort von Soirees (festlichen Abendgesellschaften), sie knüpft hochrangige Kontakte, etwa zur Gattin des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel, zum Wiener Hof und zu den einflussreichen Fuggern.
Neben ihrer Schönheit, Herzog Theodor von Sulzbach nennt sie “das schönste Frauenzimmer”, scheint sie für ihre geistreiche Konversation und kosmopolitische Flair geschätzt worden sein.
Nach dem Tod der Ehefrau des Grafen heiratet er 1714 Fatma, so dass sie, inzwischen 50jährig, zur Gräfin Castell-Remlingen wird. Sie brachte dem inzwischen stark verschuldeten Grafen eine reiche Mitgift (3000fl.) mit und erwarb damit offiziell Erbansprüche. Wie sie zu dieser hohen Summe kam ist unbekannt.
Als ihr Mann 1717 stirbt sieht sie sich Anfeindungen aus der Familie ausgesetzt und muss um ihr Erbe streiten.
Nach einigen Jahren erstreitet sie sich eine Leibrente, mit der sie sich 1726 in das Kloster Markdorf “einpfründet” und eine der größten “Stifterinnen” wird. Sie zieht ins Kloster, widmet sich den religiösen Übungen, beschäftigt sich aber auch mit alchimistischen Studien.
Insgesamt verbringt sie 29 Jahre im Kloster. 1755 stirbt sie mit 93 Jahren und wird vor dem Martina-Altar in der Klosterkirche begraben
Zum Weiterlesen:
Hartmut Heller: Dreimal Fatmeh, Frauenschicksale aus der Türkenzeit , aus Frauen in der einen Welt Sonderband 1 Zentrum für interkulturelle Frauenalltagsforschung und internationalen Austausch e.V., Nürnberg (1990) https://www.frauenindereinenwelt.de/publikationen/FidEW-Zeitschriften_Sonder/1990_S1_Flucht_Vertreibung_Exil_Asyl_300dpi/1990_S1_Flucht_S.%20014-021_Exil_Franken.pdf