Wie stark schon im Mittelalter die Wirtschaft “globalisiert” war und ein Warenaustausch zwischen Orient und Okzident stattgefunden hat, belegt das Angebot auf einem Markt in Mainz im Jahre 973. So finden sich beispielsweise Pfeffer, Ingwer und Nelken.
Auch Münzen mit arabischer Prägung waren dort im Umlauf. Es handelt sich um Münzen des Samaniden Nassr Ibn Ahmed aus Samarkand, die das Datum 301 und 302 der Hidschra (922 christl. Zeitrechnung) tragen.
Entdeckt hat diese Münzen und orientalischen Waren ein Reisender aus dem muslimischen Andalusien: Ibrahim ibn Yakub al Israili at-Tartuschi.
Ibrahim war auf dem Rückweg von einer diplomatischen Mission im Auftrag des Kalifen von Cordoba Hakam II. (915 – 976). Dokumentiert ist sein Besuch bei dem deutsch-römischen Kaiser Otto I. am 01.05.973 auf einem Hoftag in Merseburg.
Über ihn selbst wissen wir leider nur wenig, sein Titel “At-Tartuschi” deutet auf seine Herkunft aus dem andalusischen Tortosa (heutiges Spanien), sein Titel “al Israili” auf seine jüdische Herkunft hin. Die Beschreibung seiner Reise ist im Original wohl nicht mehr erhalten, Auszüge finden sich aber in zahlreichen Werken arabischer Gelehrter. Seine Reisebeschreibung ist eines der seltenen Beispiele, bei denen aus Sicht eines Besuchers aus dem Orient über Europa berichtet wird.
Der diplomatische Austausch zwischen den Kalifen aus Andalusien und Otto I. begann bereits 950 unter dem ersten Kalifen Cordobas Abd El-Rahman III.
Die Machtverhältnisse im westlichen Mittelmeer hatten sich zu Beginn des 10. Jahrhunderts dramatisch geändert. In Nordafrika und Sizilien hatten die schiitischen Fatimiden die Macht übernommen und erhoben den Anspruch auf das Kalifat. Im Gegenzug bezeichnete sich der Emir von Cordoba nun selbst zum Kalifen und “Beschützer der Gläubigen”.
Nachdem es bereits in den 940er Jahren einen Austausch von Diplomaten zwischen dem Byzantinischen Reich und Andalusien gegeben hatte, um potentielle Bündnisse gegen den gemeinsamen Feind in Nordafrika auszuloten, sandte Abd El-Rahman Gesandte nun auch zum deutsch-römischen Kaiser.
Um den Kontakt zum christlichen Kaiser zu erleichtern, wählte er einen christlichen Bischof, der unter seiner Herrschaft stand, mit der Überbringung einer ersten Botschaft.
Diese wurde jedoch gründlich missverstanden. Anders als die Byzantiner, die schon lange mit muslimischen Herrschern in Kontakt standen, wusste der fränkische Hof nur wenig von diesem “Spanischen König”. Formale Klauseln im Brief des Kalifen, wie das eröffnende “Bismillah” (im Namen Gottes) empfand man sogar als Beleidigung des christlichen Glaubens.
953 sandte man daher den christlichen Mönch Johannes von Gorze mit einer scharfen Polemik gegen den Islam nach Cordoba. Glücklicher Weise erfuhren die christlichen Einwohner Cordobas vom Inhalt dieses Schreibens und informierten den Hof über einen drohenden Eklat. Der Mönch wurde in einem Schloss außerhalb von Cordoba standesgemäß untergebracht, aber man verhinderte die Audienz beim Kalifen.
In der Zwischenzeit begab sich der Reccemund-Rabi Ibn Zaid, Bischof von Elvira, an den Hof von Otto I., um eine Korrektur des Schreibens zu erreichen.
In der Tat gelingt es Reccemund den ottonischen Hof zu überzeugen, dass der erste Brief ein Missgriff war. Reccemund kehrt mit einem neuen Schreiben Ottos zurück, dass keine Angriffe mehr auf den Islam enthielt. Man erhoffte sich nun unter anderem ein gemeinsames Vorgehen gegen arabische Seeräuber, die sich in der Provence nahe Frejus eingenistet hatten.
Nach der Rückkehr von Reccemund konnte 956 endlich Johannes von Gorze in feierlicher Audienz empfangen werden. Angesichts des überaus höflichen Empfangs musste der Mönch seine feindliche Haltung revidieren. Er bemerkt überrascht, wie gut der Kalif über das fränkische Reich informiert ist, so dass in mehreren Gesprächen gemeinsame Interessen ausgelotet werden können.
Die nächste Diplomatische Mission wurde 962 von Cordoba anlässlich der Kaiserkrönung Ottos I. nach Rom geschickt. Leiter der Delegation war diesmal Ibrahim at-Tartuschi.
Der Reisebericht des At-Tartuschi Ende der 960er Jahre und zu Beginn der 970er Jahre handelt also vom vierten Austausch von Gesandten zwischen dem muslimischen Andalusien und dem deutsch-römischen Kaiser.
Diese vierte Mission nutzt der Diplomat allerdings auch, um das Frankenreich besser kennen zu lernen und nimmt sich mehrere Jahre Zeit. Sein Bericht gilt beispielsweise als eine der besten Quellen über die Wikingerstadt Haithabu nahe dem heutigen Schleswig, die er als “reichste Stadt des Nordens” bezeichnet. Erhalten sind auch kurze Beschreibungen von Soest, Paderborn, Fulda und Mainz. Aus Mainz berichtet er schließlich erstaunt von seinem Fund der arabischen Münzen und Waren.
Leider führt der Austausch von Diplomaten im 10. Jahrhundert (noch) nicht zu einem intensiveren Dialog, oder einem Austausch von Informationen. Während seitens Andalusiens durchaus ein Interesse zu erkennen war, mehr über die “nördlichen Nachbarn” zu erfahren, war das deutsch-römische Reich wenig an diesem fernen Reich interessiert.
So bleiben viele Missverständnisse und Vorurteile noch lange erhalten, bis mehr Wissen über den Islam auch in deutsche Gebiete gelangt. Trotz dieses mangelnden Wissens belegt die “Entdeckung” von Tartuschi aber, dass Waren und Kulturgüter bereits ihren Weg in deutsche Städte gefunden hatten.
Zum Weiterlesen:
Helmut G. Walther, Der gescheiterte Dialog: Das Ottonische Reich und der Islam, in: Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter/ hrsg. von Albert Zimmermann u. Ingrid Cremer-Ruegenberg, Berlin, 1985, S. 20 – 44
Jacob, Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert, Quellen zur deutschen Volkskunde 1, Berlin 1927. Im Internet unter: https://warburg.sas.ac.uk/pdf/nde5b2287023.pdf
Hunke, Sigrid, Allahs Sonne über dem Abendland, Stuttgart 1967. Im Internet unter: https://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/inhouse-vgg/content/titleinfo/4896312
Weblinks:
Bildnachweis:
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