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0777: Die ersten Muslime im Gebiet des heutigen Deutschland

Die ersten Muslime, die das Gebiet des heutigen Deutschland besuchten waren Diplomaten, die 777 auf dem Reichstag in der Kaiserpfalz von Paderborn erschienen.

Karl der Große hielt den alljährlichen Reichstag ab, um über die Verwaltung der eben eroberten Gebiete der Niedersachsen zu beraten. Da erschienen Abgesandte der Emire von Barcelona und Saragossa und bitten Karl um Hilfe gegen den Emir von Cordoba Abd-ar-Rahman. Im Gegenzug versprechen sie, sich unter Karls Herrschaft zu stellen. 
Hintergrund waren Spannungen zwischen Berbern und Arabern. Nachdem die iberische Halbinsel ab 711 von einem vor allem aus Berbern bestehenden Heer erobert wurde, floh der omayyadische Kalif 750 aus Damaskus und gründete 756 ein von den nun im Osten herrschenden Abbasidenden unabhängiges Emirat auf der iberischen Halbinsel.
Gegen die nun folgende “Arabisierung” wehrten sich die bis dahin dominierenden berberischen Eliten.

Karl hatte sein Reich bereits nach Süden (Norditalien) ausgedehnt und seinen Hauptgegner im Norden und Osten die Sachsen vermeintlich besiegt und ergriff daher die Gelegenheit sein Reich nach Westen zu erweitern. 
778 überquert er die Pyrenäen und beginnt zunächst mit der Unterwerfung der (christlichen) Basken. Als er in Saragossa auf dem Gebiet der Omayyaden ankommt, wird er wider Erwarten nicht willkommen geheißen, da sich die vermeintlichen Überläufer wieder mit dem Emir von Cordoba versöhnt hatten. Karl war auf eine längere Belagerung nicht eingerichtet und zieht daher wieder ab. Auf seinem Rückzug plündert sein Heer die Hauptstadt der Basken Pamplona. Die Basken wiederum überfallen Karls Heer beim Rückzug über die Pyrenäen und fügen ihm eine Niederlage zu. Die Schlacht von Roncesvalles wird fast 300 Jahre später im Rolandlied (1066) umgedeutet in ein Heldenepos im Kampf gegen die heidnischen Mauren. 

Karls Feldzug war nicht religiös motiviert. Das Wissen über den Islam war in dieser Zeit auch noch sehr gering. Die erste Übersetzung des Koran ins Lateinische erfolgt erst 1143 und bis zu den Kreuzzügen 1095 weiß man fast nichts über die fremde Religion. Man interessiert sich allerdings auch nur wenig dafür. Zu sehr war man damit beschäftigt, die Macht im Zentrum Europas zu festigen.  

Nach seinem Debakel in Spanien muss sich Karl wieder mit den Sachsen beschäftigen, die sich unter Widukind wieder gegen ihn erhoben haben und es dauert 24 Jahre, bis er die Sachsen unterwerfen kann. Als er die Wiederherstellung der “Römischen Kaiserwürde” anstrebt, macht er einen weiteren potentiellen Gegner aus, das Byzantinische Reich. 

Dies mag die Motivation gewesen sein 797 eine Delegation zu Harun Ar-Raschid, dem Kalifen der Abbasiden zu schicken und mögliche Allianzen auszuloten. Er bittet Harun explizit um einen Elefanten. Vier Jahre später erhält er Nachricht, dass seine Delegation auf dem Rückweg ist. Die ursprünglichen Gesandten waren inzwischen verstorben, so dass die Delegation nun von dem jüdisch-fränkischen Kaufmann Isaak angeführt wird. Die Delegation hatte den Landweg durch byzantinisches Gebiet gemieden und brachte den gewünschten Elefanten von Ar-Rakka über Kairo nach Tunis und dann mit dem Schiff nach Ligurien. 801 überwintern sie in Italien, da der Elefant im Winter die Alpen nicht überqueren kann.

Am 20.07.802 erschien nun dieses wundersame Wesen in der Kaiserpfalz Aachen. Abul Abaz ist der erste Elefant nördlich der Alpen der namentlich erwähnt wurde. Er war eine vielbeachtete und vielbeschriebene Sensation und wurde Symbol der Macht des zwei Jahre zuvor zum Kaiser gekrönten Karl dem Großen (König 747-814). Abul Abaz begleitete den Kaiser auf seinen Reisen und starb 810 nach einer Überquerung des Rheins. 1750 werden seine Knochen an der Mündung der Lippe in den Rhein gefunden. 2011 erscheint sogar eine Biographie über ihn.

Es ist anzunehmen, dass Abul Abaz nicht ohne Begleitung aus dem Orient kam. Man könnte vermuten, dass Tierpfleger (mit entsprechendem Know How der Pflege eines Elefanten) Abul Abaz begleiteten und mindestens 8 Jahre in Karls Reich blieben. In diesem Fall wäre der 20.07.802 auch das Datum seit dem Muslime zum ersten mal im Gebiet des heutigen Deutschland leben.

Leider erfahren wir nichts in den Quellen über die Begleiter des Elefanten, wie sie gelebt haben, ob sie in den Orient zurückgekehrt sind oder nach dem Tod von Abul Abaz geblieben sind.

Zum Weiterhören: 

Unser Podcast: https://anchor.fm/smf-verband/episodes/Ein-Elefant-fr-Karl-den-Groen-e15gfc9 

Zum Weiterlesen: 

Zum Reichstag in Paderborn: 

Annales Regni Francorum, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, ed. Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 5), Darmstadt 1955, S. 9-156.  

Einhardi, Vita Karoli Magni, in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, ed. Reinhold Rau (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 5), Darmstadt 1955, S. 163-212.  

Hubert Pöppel, Karl der Große und Spanien – eine Zwiespältige Beziehung, Vortrag vom 03.04.2014 unter: https://www.uni-regensburg.de/sprache-literatur-kultur/romanistik/medien/karl_der_gro__e_und_spanien.pdf 

Zu Abul Abaz: 

Achim Thomas Hack: Abul Abaz. Zur Biographie eines Elefanten. Wissenschaftlicher Verlag Dr. Michael P. Bachmann, Badenweiler 2011, ISBN 978-3-940523-12-9. 

Richard Fletcher: Ein Elefant für Karl den Großen – Christen und Muslime im Mittelalter. Darmstadt 2005. 

Hans Altmann: Die Reise des Isaak und die politische Situation um 800. In: Ex oriente. Isaak und der weiße Elefant. Bagdad – Jerusalem – Aachen. Eine Reise durch drei Kulturen um 800 und heute. Katalogbuch zur Ausstellung in Rathaus, Dom und Domschatzkammer Aachen vom 30. Juni bis 28. September 2003, Band 1 Die Reise des Isaak. Bagdad. Zabern, Aachen 2003, S. 28–35. 

Hannelore Kühl, Brigitte Erm: Abul Abas. Die Geschichte des weißen Elefanten am Hofe Karls des Großen. Alano Verlag, Aachen 1985, ISBN 3-924007-12-8. 

Karen Duve, Thies Völker: Lexikon berühmter Tiere. 1200 Tiere aus Geschichte, Film, Märchen, Literatur und Mythologie. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8218-0505-6. 

Michael Borgolte, Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden und mit den Patriarchen von Jerusalem, München 1976, s. 3-15. 

Nico Geisen, Zwischen Entfernung und Elefanten. Die Absichten der karolingisch-abbasidischen Diplomatie, Hausarbeit (Hauptseminar), 2017, https://www.grin.com/document/445680 

Bildnachweis: 

Osmanisches Zelt in der “Türckischen Cammer” in Dresden. Foto: Taner Yüksel