“Möge seine Majestät der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, welche auf der Erde zerstreut lebend in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß [sic!] zu allen Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.” Kaiser Wilhelm II. Am 8. November 1898 in einer Rede in Damaskus.
Kaiser Wilhelm war sehr beeindruckt mit welchem Pomp er auf seiner Orientreise 1898 von Sultan Abdülhamid II. begrüßt wurde und noch viel mehr, wie begeistert er von der Bevölkerung in Damaskus empfangen wurde. Er war in Damaskus, um das Grab Salah ad-Dins zu besuchen und stiftete auch einen Marmorsarkophag als Ausdruck seiner Verbundenheit mit diesem Herrscher, den er selbst als „Ritter ohne Furcht und Tadel” bezeichnete.
Die Anerkennung, die er im Orient erfährt, ist Balsam auf seine Seele. Es war erst 27 Jahre her, als Deutsche Länder sich zum Deutschen Reich zusammengeschlossen und seinen Großvater zum Kaiser gekrönt hatten. Das Deutsche Reich erfuhr einen rasanten Wirtschaftlichen Aufschwung und begann sich auch am Kolonialismus zu beteiligen.
Deutschland hatte damals international eine ähnliche Position, wie China Ende des 20. Jahrhunderts. Man beginnt den Vorsprung, den England in der Industrialisierung hat aufzuholen, indem man Knowhow (z.B. britische Ingenieure) einkauft, Produkte nachahmt oder kopiert etc. Die Engländer wehren sich, indem sie 1887 ein Gesetz verabschieden, bei dem die vermeintlich minderwertige Ware aus Deutschland mit „Made in Germany” gekennzeichnet wird – später ein Markenzeichen für Qualität.
Wilhelm fühlt sich von seiner Verwandtschaft in England (Königin Victoria war seine Großmutter) schlecht behandelt und zurückgesetzt. Auf der anderen Seite meint er eine viel höhere Bedeutung zu haben, als man ihm zugesteht. Er fühlt sich nicht nur als Kaiser der 56 Millionen Einwohner des Deutschen Reiches, sondern auch der „Deutschen” in Österreich-Ungarn und der Auslandsdeutschen weltweit. Er selbst spricht von 120 Mio. Untertanen.
Wenn er sich mit den Osmanen und den 300 Mio. Muslimen zusammentäte, würde er auch global zumindest auf gleicher Höhe, wenn nicht höher als England stehen. 420 Millionen Menschen entsprachen ca. 25-30% der damaligen Weltbevölkerung.
Und die Sympathie, die Wilhelm nun im Osmanischen Reich von der Bevölkerung erlebt, gibt diesen Träumen Nahrung.
Neben seinen Träumen hat er natürlich auch handfeste Ziele: Quasi als Gastgeschenk erhält er vom Sultan die Zusage, dass die Deutsche Bank den Zuschlag für die Finanzierung und Organisation der Bagdadbahn von Konya bis Basra am Persischen Golf erhält. Lukrative Aufträge für deutsche Unternehmen, wie Krupp oder Phillip Holzmann, sind damit verbunden.
Die Bagdad Bahn soll einen schnellen Zugang zu den Rohstoffen des Persischen Golfs ermöglichen und einen riesigen Absatzmarkt für Deutsche Produkte erschließen.
Neben wirtschaftlichen Interessen besteht schon seit geraumer Zeit eine militärische Partnerschaft. Das Preußische Militär hatte schon im gesamten 19. Jahrhundert osmanische Soldaten ausgebildet und dem Sultan bei einer Militärreform geholfen.
Auf seiner Orientreise lernt Wilhelm II. Max von Oppenheim kennen, seinerzeit Legationsrat an der deutschen Botschaft in Kairo. Fortan liest er persönlich Oppenheims Berichte aus dem Orient.
Von Oppenheim entwirft mit Beginn des Ersten Weltkriegs schließlich die Strategie für die deutsche Orientpolitik: den „Dschihad Made in Germany”.
Zum Weiterlesen:
Loth, Wilfried and Hanisch, Marc. Erster Weltkrieg und Dschihad: Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients, München, 2014.
Heinz Kramer, Maurus Reinkowski, Die Türkei und Europa: Eine wechselhafte Beziehungsgeschichte, Stuttgart 2008
Jürgen G. Nagel, Als der Kaiser den Dschihad erfand, in: Zeitschrift für Weltgeschichte Jahrgang 19, Berlin 2018, S. 337-368 Im Internet unter: https://www.academia.edu/41830383/Als_der_Kaiser_den_Dschihad_erfand._Zur_Revolutionierung_des_islamischen_Orients_durch_das_Deutche_Reich_im_Ersten_Weltkrieg_in_Zeitschrift_f%C3%BCr_Weltgeschichte_19_2018_2_S._337-368
Bildnachweis:
The sheikh ul Islam, Emperor Wilhelm II, the sultan, Excellency Enver Pasha, WWI
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