Die Phase der Türkenkriege von 1453 – 1699 war immer wieder unterbrochen durch längere Friedensphasen. Insbesondere während des 30-jährigen Krieges (1618 – 1648) und in den Jahren des Wiederaufbaus danach, war es der Habsburgischen Monarchie wichtig, keine zweite Front im Süden zu eröffnen und mit den Osmanen Frieden zu schließen.
Dass dies gelang, ist auch in besonderem Maße einem Mann zu verdanken, der die Habsburger in Istanbul vertrat. Seine interkulturelle Kompetenz – wie wir heute sagen würden – und Sprachkenntnisse halfen, potentielle Konflikte auf diplomatischem Wege zu lösen. Dieser Mann hieß Johann Rudolph Schmid.
Johann Rudolph Schmid wurde 1590 als Sohn eines Ratsherrn im deutsch-schweizerischen Stein am Rhein geboren. Bereits im Alter von zwölf Jahren kam er nach Verona, wo er fließend Italienisch lernte und sich Studien der Malerei und Poesie widmete. Er sprach außerdem Französisch und Latein.
Im Alter von 16 Jahren gerät er auf einer Ungarnreise in osmanische Gefangenschaft, wird nach Istanbul gebracht und lebt dort als „Sklave” in einem vornehmen Haushalt. Er erlernt die türkische Sprache und wird als Dolmetscher am Hofe eingesetzt. Er bleibt insgesamt 18 Jahre in Istanbul, bis er dem Botschafter der Habsburg-Monarchie auffällt und freigekauft wird.
Nun in Habsburger Diensten, wird er ab 1624 ebenfalls als Dolmetscher eingesetzt und begleitet die habsburgische Gesandtschaft 1627 zu Sultan Mehmet IV.
1629 gelang es den Habsburgern einen 25-jährigen Frieden mit den Osmanen auszuhandeln und bei der Abschlussaudienz beim Sultan wird Johann zum „Residenten”, also ständigen Botschafter in Istanbul eingeführt. Er bleibt weitere 16 Jahre in Istanbul und übt sein Amt trotz schwieriger Umstände erfolgreich aus. In einem kaiserlichen Schreiben wird seine Amtsführung gelobt als „ungescheut einiger Leib- und Lebensgefahr, und mit sonderbarer gebrauchter guter Dexterität (Gewandtheit), Bescheidenheit, Behutsamkeit und Vorsichtigkeit“.
1645 kehrt er auf eigenen Wunsch nach Wien zurück, wird für seine erfolgreiche Arbeit mit dem Adelstitel „Freiherr von Schwarzenhorn” (nach seinem Geburtshaus „Zum schwarzen Horn” in Stein) belohnt und zum „Hofkriegsrath” befördert.
1649 wird er anlässlich der Thronbesteigung von Sultan Mohamed IV. erneut nach Istanbul gesandt. Es gelingt ihm die Unterschrift einer Urkunde zu erreichen, die den Frieden mit den Osmanen um weitere zweiundzwanzig einhalb Jahre verlängern sollte. Innerhalb von zehn Monaten sollte die Unterschrift in Wien erfolgen.
Selbstverständlich wurde auch er berufen, die unterzeichnete Urkunde samt Geschenken im Wert von 40.000 Gulden persönlich wieder nach Istanbul zu bringen.
Es ist wohl der Höhepunkt seiner diplomatischen Karriere als er mit 18 Schiffen, begleitet von 160 Personen wieder nach Istanbul reist und persönlich vom Sultan empfangen wird.
Ein Gemälde von Jeronimus Joachims von 1651 zeigt Johann Schmid in (am Hofe vorgeschriebener) ungarisch-osmanischer Kleidung mit dem Friedensvertrag und im Hintergrund des Gemäldes die Audienz beim Sultan.
Er scheint auch hier sehr viel Geschick bewiesen zu haben, denn er wird nach seiner Rückkehr nach Wien als “Erreter eines großen Theiles der kaiserlichen Erblande” gepriesen.
Fast die Hälfte seines Lebens hat er in Istanbul verbracht. Seinen Berichten von dort, die er alle zwei bis drei Wochen nach Wien sendet, verdanken wir zahlreiche Informationen über politische Ereignisse. Diese Berichte sind vollständig im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien erhalten. Sie bilden von Staatsgeschäften bis zum Wetter das Alltagsleben im damaligen Osmanischen Reich sehr detailliert ab. Hierbei bemüht sich der Gesandte um eine sachliche, möglichst objektive Sichtweise.
Auch der erst kürzlich wieder entdeckte Reisebericht seines Bediensteten Johann Georg Metzger von der diplomatischen Mission 1649 liefert wichtige Hintergründe.
Das Studium seiner Korrespondenz wirft Fragen auf zur Vielschichtigkeit des Verhältnisses zwischen Orient und Okzident. Sie belegt eine viel stärkere Verflechtung zwischen den Kulturen als gemeinhin angenommen.
1660 schenkt er seiner Heimatstadt ein Gemälde seiner Audienz beim Sultan und einen prunkvoll ausgestatteten silbernen „Türkenbecher”. Darauf sind Figuren, Inschriften und Bilder seines Lebens dargestellt. Seine Auflage für dieses Geschenk ist, dass in einem jährlichen Trunk aus dem Pokal biographische Texte aus seinem Leben und Wirken gelesen werden. So hat der kluge Diplomat dafür gesorgt, dass in seiner Heimatstadt bis heute an ihn gedacht wird.
Auf diesem Pokal hat er auch eingravieren lassen, was seine größte Leistung war: “Am schönsten Ort der Welt, desgleichen nicht zu finden / … / Hab ich drey Kaysern dient und drey Sultan gekennt / All Sechs auf diesem gschier mit Namen seind benennt / Wann diese sich gezankt, dann hab ich sie entschieden / Und beide Reich erfreut mit neu vermehrtem Frieden.”
1664 wird er nochmals diplomatisch aktiv, als der Friede zwischen Habsburgischem und Osmanischem Reich gebrochen wird. Er reist in die Schweiz und bittet erfolgreich um militärische Unterstützung. Als die Osmanen im gleichen Jahr zurückgeschlagen wurden, soll er abermals bei der Verhandlung eines 20-jährigen Friedens beteiligt gewesen sein.
Er starb am 12. April 1667 und wurde in der Wiener Schottenkirche beigesetzt.
Zum Weiterlesen:
Arno Strohmeyer, Der Dreißigjährige Krieg in der Korrespondenz des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1629-1643), 2018
Peter Meienberger, Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiserlicher Resident in Konstantinopel in den Jahren 1629-1643 : ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Oesterreich und der Türkei in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Bern, 1973
Elisabeth Schraut, Ein Becher, wie es keinen zweiten gibt: Wie der berühmteste Bürger von Stein am Rhein an den Hof des Sultans kam und seiner Stadt ein besonderes Geschenk machte, NZZ, 08.01.2020
https://www.nzz.ch/feuilleton/der-gesandte-des-kaisers-von-stein-am-rhein-nach-istanbul-ld.1532096
Bildnachweis:
Johann Rudolf Schmid bei der Audienz bei Sultan Mehmed IV. am 31. Januar 1651. Gemälde von Jeronimus Joachims, 1651
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Foto des Geburtshauses in Stein. am Rhein SmF eV Michael Pfaff